Das Cartell
Das Cartell

© Schneeweiß-Arnoldstein, 19.—22. Oktober 2005

Flugschrift der Zeitschrift „DIE WEISSE ROSE“
Innenpolitik 2005—II

Wahlspektakel und das Ärgernis der Gesinnungslosigkeit

Die Wahlen

In diesem Herbst zeigte sich uns wieder und zeigt sich uns immer noch ein grotesker Reigen ebenso langweiliger wie sinnloser Wahlkämpfe; die strukturelle Korruption unserer sogenannten „Demokratie“ tritt deutlich zu Tage. Das absurde Theater des alltäglichen Politgeschehens verknüpft sich mit den üblichen, üppigen und von uns allen zu tragenden Kosten. Die überaus exklusive und heute gerne kritisierte Hofhaltung der französischen Könige des 18. Jahrhunderts hat vermutlich mehr für die Menschheit gebracht als all das ebenso verlogene wie häßliche „Demokratie“-Tralala unserer Gegenwart. Dieses ist letztlich sinnfälliger Ausdruck der schlechten Verwaltung des Staates, sinnfälliger Ausdruck sich kraß verschlechternder Existenzbedingungen für die Bevölkerung Europas und sinnfälliger Ausdruck weitreichenden Versagens der politischen Kaste.

Doch mitunter auch Erfreuliches: Erfreuen wir uns beispielsweise am Wahlergebnis in Deutschland. Dort zeigte sich neben zeitgenössischer „Demokratie“-Tristesse auch, daß schlechte Politik durch Stimmverweigerung der Stammwähler bestraft wird. Eine dümmlich-linksliberal agierende Cdu hat viel an jener Unterstützung verloren, die ihr noch vor dreißig Jahren ganz gewiß zugefallen wäre. Das Verschwinden der Kernwählerbastionen wurde von den Parteien selbst eingeleitet — durch vermehrte Unehrlichkeit, Verantwortungslosigkeit, Gesinnungslosigkeit, Inkompetenz. Das gilt auch hierzulande, speziell auch für die Övp und die Steiermark. Und es ist Schüssel, der weitaus mehr als die relativ unbegabte Frau Klasnic Schuld daran trägt, daß nunmehr ein weiteres der schwarzen Kernländer verloren gegangen ist. Ergebnis all seiner „Cleverness“ und all des Für-Blöde-Verkaufens der Bevölkerung. Natürlich möchten Schüssel und seine Partie angesichts des Desasters ihres Agierens ungeschoren davonkommen. Gerne möchte man uns zumuten, jenen offenen Verrat an Christlichen und konservativen Positionen, das völlige Verspielen der großen Chance auf eine Wende und den weiteren Niedergang Österreichs durch eine Politik des falschen Maßes nicht zu bestrafen, sondern auch noch zu belohnen. Nach den Steirischen Wahlen sieht es freilich so aus, als ob diese Kalkulation nicht aufginge. Und der Verrat am schwarzen Kernwähler ist überaus vielfältig, wie wir schon oft ausgeführt haben. Die Övp ist mit Ende der Ära Mock in einen galoppierenden Transformationsprozeß eingetreten, welcher die alte Christlich-soziale und staatstragende Partei in eine Linkspartei zeitgeistgemäßen Zuschnitts verwandelte. Unter Schüssel hat sich dieser weltanschauliche Verfall noch weiter verschärft, was deutlich auch an den personalpolitischen Weichenstellungen des letzten Jahrzehnts nachvollziehbar ist. Für diese Wahlen hat man beispielsweise in Wien die letzten Konservativen von den sicheren Listenplätzen gesäubert. Und in der Steiermark etwa hat der Zerfallsprozeß der Kirche und die Linksverdriftung des Klerus schon lange katastrophale Auswirkungen auf die Landespolitik, in der vor 25 Jahren unter dem „jungen“ Krainer rabiate „Reformer“ mit „68er-Zuschnitt“ die Macht übernommen haben, so daß es mittlerweile dort auch schon egal ist, ob die angeblich „Katholische“ Aktion oder ob der Sozialismus regiert. (Der „Steirische Herbst“ als ein Belegstück unter vielen). Ob Wien, ob Steiermark, ob Tirol — die Volkspartei unserer Gegenwart ist landesweit nahezu überall lupenrein linksliberal. Und dem eigenen Gesinnungswandel folgend suchen ihre Funktionäre nun nach neuen Wählerschichten. Das kann man ihnen wahrscheinlich nicht verbieten, aber man muß sie nicht wählen. Konsequent sollten Konservative und Katholiken daher auch bei den kommenden Wahlen und wie auch früher schon für die Alternativen zur Volkspartei optieren — Weiß (vor allem, weil eine völlige Verweigerung immer noch besser ist als eine Stimme für die falsche Richtung) oder auch Blau (beispielsweise weil es das Establishment ärgert und weil dort nach dem Fortgang Haiders und dem Verbleiben Stadlers die Chance auf eine geistige Gesundung gegeben sein könnte). Und 2006 dann bei Schüssel, Khol und Gehrer ebenso. Alles ist besser, als der Verrat.

Der Verrat

Von ihrer Gründung her hat die Volkspartei weltanschauliche Positionen vertreten, die ihr mit Recht den Ehrentitel einer Christlichen Partei eingetragen haben. Sie stand für eine saubere und sparsame Verwaltung des Staates, für den Schutz der Kinder und der Familie, für den Respekt vor dem Glauben und für die Anerkennung des natürlichen Sittengesetzes als Grundlage der Rechtssprechung. Sie repräsentierte jenes Katholisch-konservative Lager, das dem kleingewordenen Österreich seine bedeutendsten Politiker gegeben hat — Seipl und Dollfuß, Figl, Raab, Klaus. Und sie repräsentierte jene Politik, welche in Jahrzehnten der Armut und Unterdrückung dem Land die Lebensgrundlagen sicherte, den Wiederaufbau ermöglichte und mutig den Kampf um seine Freiheit focht. Das alles hat sich heute gründlich geändert.

Gehen wir in die Details.

Lebensschutz: Spätestens bei der Diskussion um die Zulassung des Verkaufs eines Abtreibungspräparates in Österreich 1999 merkte man, daß die führenden Funktionäre der Volkspartei in einer Linie mit den Vertretern der Linken agierten und die Anliegen des Lebensschutzes auch bei ihnen keinerlei Gehör mehr fanden. Der einzige Österreichische Spitzenpolitiker, der sich damals öffentlich gegen die Einführung des Abtreibungspräparates stellte, war der Freiheitliche und Katholik Ewald Stadler. Und wenn heuer die Wiener Vp zusammen mit allen anderen Parteien im Wiener Landtag für den Abbau der Demonstrationsfreiheit vor Abtreibungs-„Kliniken“ stimmte („Wegweisrecht“ der Polizei gegenüber Abtreibungsgegnern auf öffentlichem Grund), dann ist das eben präzise jener Verrat am Lebensschutz, für den die Volkspartei mittlerweile auch schon zahlreiche andere Beispiele geliefert hat. (Nebenbei angemerkt handelt es sich auch um einen eklatanten Bruch der sonst so gerühmten Demonstrationsfreiheit — diese gilt anscheinend nur für die Linke).

Bildung: Eine der wichtigsten Ressourcen eines Landes sind seine Möglichkeiten der Bildung. Von der Kaiserzeit her haben wir eines der besten Bildungssysteme der Welt geerbt. Ein Erbe, das nach Jahrzehnten der unterminierenden Vor- und Wühlarbeit der heimischen Linken nunmehr unter Politikern der Övp endgültig liquidiert wird. Die für Bildung zuständige Vp-Ministerin Gehrer und ihre schwachsinnige „Rechtschreibreform“ stehen mittlerweile für ein „Gesamtkunstwerk“ an Destruktion, das von der Volksschule bis zu den Universitäten, vom Handarbeitsunterricht bis zur Medizinerausbildung reicht und das ganze Land in Mitleidenschaft zieht.

Erziehung: Wenn die Volkspartei beziehungsweise ihr unumstrittener Anführer Schüssel kaum mehr ein Problem darin sieht, die parlamentarische 2/3 Mehrheit bei den Schulgesetzen aufzugeben, ist das nicht nur ein völliger Bruch dieser Partei mit den weltanschaulichen Haltungen ihrer Vergangenheit, sondern ein Schritt von dramatischen Auswirkungen. Er bedeutet höchstwahrscheinlich die zwangsweise Ganztagsschule und damit einen ins Totalitäre reichenden Einfluß des Staates auf die Erziehung der Kinder, so die Sozialisten wieder die Macht übernehmen. Dieser Schritt ist ein völlig offener Verrat der Volkspartei an unseren Kindern und ihrer Zukunft, wobei die neuerliche Diskussion um eine flächendeckende Einführung der Ganztagsschule von führenden Politfunktionären der Volkspartei (Steiermark) selbst losgetreten wurde.

Familie: Es ist schick geworden in der Volkspartei, sich Forderungen der Homosexuellen-Lobby gegenüber „aufgeschlossen“ zu zeigen. 2004 faßte der Vp-Vorstand entsprechende Beschlüsse zu Gunsten homosexueller „Lebenspartnerschaften“. Im Dezember 2004 etwa weigerte sich der Grazer Vp-Bürgermeister Nagl, den Ehrenschutz für eine einschlägige Veranstaltung zu übernehmen, woraufhin er indirekte wie direkte Kritik von Landeshauptfrau Klasnic und Vp-Landesrat Paierl erhielt und einen Rückzieher machen mußte („Kleine Zeitung“ 23.12.2004). Und wenn Schüssels Mann in Wien, „Gio“ Hahn, vor der Wahl in Wien rechtliche Begünstigungen für homosexuelle „Partnerschaften“ einfordert, dann haben wir hier den aktuellsten Versuch der Volkspartei, den linksliberal-„urbanen“ Wähler für sich zu gewinnen (der freilich eben in der Steiermark eine von drei anderen Linksparteien bevorzugt hat).

Kulturelles Erbe: Institutionen von Weltrang wie unsere großen Museen oder die Nationalbibliothek in Wien erhalten nicht mehr die von ihnen benötigten Gelder. Genügend Geld aber gibt es, wenn bestandsbeschädigende Umbauten im Zeitgeiststil à la Schüssel vorgenommen werden, etwa an den Hofstallungen oder an der Albertina in Wien. Beim Denkmalschutz wird „gespart“. Bei der Förderung moderner „Kunst“ fliegen die Millionen nach wie vor zum Fenster hinaus, quer durch die Bundesländer, gänzlich unabhängig davon, ob Rote oder Vp-Politiker an den Schalthebeln sitzen (nennen wir etwa Niederösterreich, wo Vp-Landeshauptmann Pröll die tollsten Pläne zur Förderung des blasphemischen Sudel-„Künstlers“ Nitsch entwickelt).

Feiertage: Allzugerne möchten einflußreiche Lobbies die heimische (Katholisch geprägte) Kultur der Feiertage zerschlagen. Die häretische Grundhaltung, daß der Mensch lebe, nur um zu arbeiten, ergänzt diverse andere globalkapitalistische Gesellschaftsvorstellungen auf´s Beste. Gerne werden aus der Regierung Schüssel heraus beziehungsweise von ihr nahestehenden Verfechtern von „Flexibilisierung“ Vorstöße zur Abschaffung von Feiertagen unternommen (etwa von Schüssels Lieblingsfinanzminister Grasser im Sommer 2004), was allerdings klar gegen die sozialen Traditionen des Landes steht.

Sparpakete: Während die Kommunisten aufgrund der glaubwürdigen Sozialpolitik ihres Spitzenkandidaten als drittstärkste Partei in den Steirischen Landtag gekommen sind, erfreut das Duo Schüssel-Grasser die Bevölkerung mit dem Charme des smarten Abkassierens und legeren Geldausgebens. Die Frage, wie gut Grassers wohldotierte „Home-Page“ gefallen hat, dürfte in der Steiermark eindeutig beantwortet worden sein; aber auch öffentliche Gelder fließen in Strömen: seit dem Jahre 2000 hat die Regierung Schüssel für externe „Beratung“ und für „Werbung“ über eine Milliarde Schilling Steuergeld aufgewendet, nicht miteingerechnet die Summen, mit welchen die „Regierungsinformation“ im Wahlkampf 2002 finanziert wurde („News“ Nr.28/2005).

Von den Beamten: Der Beamtenhaß dieser Regierung ist kaum mehr übersehbar; Österreichs Beamtentum war einst herausragend; redliche Verwalter eines Imperiums. Die gute Verwaltung war selbst noch in republikanischen Zeiten fortdauernd und gereichte uns allen zum Guten. Die Roten haben dieses Erbe korrumpiert und zugleich den Staatsapparat ins Ungeheuerliche hin aufgebläht. Schüssels Antwort darauf ist nun die Zerschlagung des Beamtentums. Die Konsequenzen daraus sind absehbar: steigende Willkür, Korruption, und Unfähigkeit in den verbleibenden Behörden; statt totalitärer Gängelung des Bürgers durch den Funktionär (sozialistisches Modell) nunmehr Auslieferung des Landes an die Interessen der großen Konzerne (liberal-kapitalistisches Modell). Das Ausleeren des Kindes mit dem Bade dürfte zu den Konstanten schüsselscher Modernisierungswut zählen.

Die Außenpolitik: Während in ganz Europa ein massiver Kulturkampf gegen das Christentum geführt wird, sind nun die entscheidenden Weichenstellungen für eine Aufnahme der Türkei in die EU vorgenommen worden; jene wird dann wohl der bevölkerungsreichste Staat innerhalb der Union sein, und ihr Beitritt wird einer Völkerwanderung und weitreichender Auflösung der Christlichen Prägung des Kontinents den Weg bereiten. Schüssel stimmte ohne viel Widerstand der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen der Eu mit der Türkei zu, wobei er seine übergroße Bereitwilligkeit zur Preisgabe Österreichischer Interessen durch momentane unerhebliche Verzögerungsmanöver und die Behauptung kaschiert, daß es in zehn bis fünfzehn Jahren (da wird er nicht mehr regieren), nach Ende der „ergebnisoffenen“ Verhandlungen dann ohnehin eine Volksabstimmung geben werde. (Letzteres bezweifeln wir übrigens).

Von Konsequenzen und Vorzugsstimmen

Alles Dargelegte stellt nur einen Teil jener zahlreichen üblen Früchte der Politik unter dem jetzigen Bundeskanzler dar. Die Möglichkeit einer wirklichen Wende, die von den Wahlen des Jahres 1999 ermöglicht wurde, hat Schüssel in jeder Beziehung vertan. Erhofft hatten wir den Regierungsantritt eines versierten Staatsmannes in der Tradition der alten Övp; derzeit haben wir den Eindruck, einer Bande neoliberaler Polit-Desperados ohne Verantwortungsgefühl, ohne Anstand, ohne Wahrhaftigkeit und ohne Augenmaß ausgeliefert zu sein. Zugleich ist der blaue Koalitionspartner der Selbstausschaltung seines bis dahin brillanten Parteiführers erlegen. Die Konsequenzen haben sich nach den Verhältnissen zu richten und wurden von uns eingangs dargelegt. Zur Vermeidung von Mißverständnissen wiederholen wir unseren Standpunkt: die Volkspartei ist gänzlich unwählbar geworden. Wer aus dem Freundeskreis es dennoch für unerläßlich hält, dorthin seine Stimme zu vergeuden, möge dies als Vorzugsstimme für Frau Gudrun Kugler-Lang tun; unserer Einschätzung nach eine wirkliche Idealistin aus der Lebensschutzbewegung. Sie darf an kaum erfolgversprechender hinterer Stelle in Wien kandidieren, wird gänzlich ohne Einfluß bleiben und dient als billiger Köder für konservative Kernwähler. Persönlich wünschen wir ihr viel Erfolg; strategisch betrachtet ist ihre Kandidatur ein Fehler und bringt der Volkspartei Stimmen, die dieser nicht mehr zustehen. Nur wenn konservative Wähler klar darlegen (vorzugsweise bei Wahlen), was sie nicht wünschen, wird es in diesem Lande auch wieder einmal konservative Politik geben.

Anmerkung

Die Äußerung, mit der Frau Gudrun Kugler-Lang anläßlich der scharfen Diskussion um ihre ÖVP-Kandidatur zitiert wird, zur Frage von Abtreibung und Homosexuellen-„Ehe“ habe sie die Meinung der ÖVP, ist überaus bedauerlich. Die derzeitige Meinung der ÖVP (bzw. ihrer Spitzenfunktionäre) zu diesen Themen ist unakzeptabel, und die Kandidatur von Frau Kugler-Lang nimmt durch ihre als Abrücken vom Lebensschutz auffaßbare Distanzierungen eine unschöne Wendung vom Gegensteuern hin zum Mitmachen.