Cbr. em. Univ.-Prof. DDr. Robert Prantner, Am, (im Bild mit Julius Raab)feierte Ende Juni seinen 70. Geburtstag. Das nachstehende Gespräch führte der katholische Publizist Martin Pfeiffer, Wochenzeitung „Zur Zeit“, mit dem Jubilar knapp vor Pfingsten dieses Jahres.
Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung der Wochenzeitung „Zur Zeit“, hrsg. u.a. von S. E. Cbr. Dr. Johann Josef Dengler, Nc/ÖCV
Robert Prantner zur Situation der Katholischen Kirche — Cbr. em. Univ.-Prof. DDr. Robert Prantner, Am, feierte Ende Juni seinen 70. Geburtstag. Das nachstehende Gespräch führte der katholische Publizist Martin Pfeiffer, Wochenzeitung „Zur Zeit“, mit dem Jubilar knapp vor Pfingsten dieses Jahres.
Herr Professor, Was bedeutet Pfingsten in der heutigen Zeit für den Christen?
Professor Dr. Prantner: Wie so oft hat auch in dieser Causa der große Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe unrecht, dessen Reineke Fuchs ja mit den Worten beginnt: „Pfingsten, das liebliche Fest war gekommen....“ Pfingsten war nie ein liebliches Fest, es war immer ein Gedenktag nach einem Ereignis des Brausens, des Sturmwindes und des Feuers. Pfingsten bedeutet, daß ein neuer Aufbruch für die Zukunft der Kirche immer aktuell ist.
Wie sehen Sie aus der Sicht eines konservativen Theologen den Zustand der katholischen Kirche in Österreich? Es gab ja einige Veränderungen.
Prantner: Wenn ich anknüpfe an die relativ einfallslosen Kommentare einiger Tageszeitungen zur Ernennung des Wiener Weihbischofs Alois Schwarz zum neuen Ortsordinarius der Diözese Gurk, Klagenfurt, so muß ich sagen, er ist nicht nur ein Mann des Ausgleichs, denn Ausgleich kann auch bedeuten – kapitulieren, den Ort des geringsten Widerstandes suchen und damit farblos werden. Ich würde das über Dr. Schwarz nicht sagen. Ich möchte nur feststellen, daß die österreichische Kirche keineswegs mehr eine einheitliche Kirche ist. Meiner Einschätzung nach, auch als Kirchenhistoriker, befindet sich die österreichische Kirche etwa im Status der katholischen Kirche Deutschlands etwa 20 bis 30 Jahre nach dem Anschlag der Thesen Martin Luthers. Wir haben bereits eine Spaltung. Diese Spaltung ist nur nicht sichtbar. Im Gegensatz zu damals leben diese geistliche Herren von den Gehältern der bischöflichen Finanzkammer. Würden diese Gehälter nicht ausbezahlt werden, hätten wir eine sichtbare Spaltung. Ich bin der Meinung, daß die Diözesen, aber auch die Ordensgemeinschaften, die Laienorganisationen quer durch die Mitte, ich würde sagen, diagonal bereits getrennt sind. Das ist keine pessimistische dunkle Zukunftsprognose, sondern das ist die Realität, wenn man das kirchliche Leben, sei es in der Liturgie, sei es in der Lehre, in der Verkündigung, vor allem aber auch in den Schulen beachtet. Ich erwähnte zuvor, daß Pfingsten eine neue Hoffnung mit dem Brausen des Geistes auch mit dem Mut der Menschen zur Erneuerung bedeutet. Es ist kein Widerspruch dazu. Ich meine, daß wir einer dringenden neuen Gegenreform der Deformierung der Zeit nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil brauchen. Ich bin nicht in der Lage nach meinem Gewissen die Situation zu beschönigen und so zu sagen auf einen Dialog zum Ausgleich hinzuweisen. Es gibt keinen Ausgleich, wo es um die Wahrheit der Offenbarung des Glaubens und der Sittenlehre geht.
Sie sprachen von einer notwendigen Erneuerung der Kirche. In unserer säkularen Welt haben die Laienorganisationen großen Einfluß und üben eine sehr liberale Haltung aus. Ist es nicht notwendig, auch von konservativer Seite ein Laieninstrumentarium zu schaffen oder eine Volksbewegung, die sich in die andere Richtung bewegt, im Gegensatz etwa zu dem Kirchenvolksbegehrer Feichtlbauer?
Prantner: Herr Kollege Pfeiffer, das ist vollkommen richtig. Ich würde allerdings hier differenzieren. Der Einfluß, den die Laienbewegungen haben, ist mit Sicherheit nicht in jeder Diözese gleich. In der Erzdiözese Wien hat die katholische Aktion keinen guten Ruf, im Sinne meiner Diagnose. Ich würde sagen, es gibt eine Reihe kleiner Bewegungen, deren Herzstück wahrscheinlich die Initiativkreise katholischer Laien und Priester sind, die aber noch viel zu klein sind. Wir können uns nicht mehr auf die diversen katholischen Organisationen verlassen, die etwa in der Arbeitsgemeinschaft katholischer Verbände zusammengeschlossen sind. Bedauerlicherweise gibt es einen fast unglaublichen Linksruck im Cartellverband der farbentragenden Katholischen Studenten, weniger stark im Mittelschülerkartellverband, aber besonders arg in den anderen Organisationen, die in irgendeiner Weise aus Interessensverbänden entstanden sind. Als vor einigen Jahrzehnten der längst verstorbene Franz Karasek, enger Mitarbeiter von Julius Raab und von Leopold Figl vorher, diese katholischen Verbände zusammengeschlossen hat, waren die noch ein echtes Gegengewicht gegen den progressiv verdummenden Kurs der katholischen Aktion. Leider ist das heute nicht mehr der Fall.
Sie sprachen schon die verstorbenen Julius Raab und Leopold Figl an. Mit Raab arbeiteten Sie eng zusammen. Wie würden Sie seine Haltung in bezug auf den Katholizismus skizzieren?
Prantner: Julius Raab hat mir einmal bei einer Postbesprechung unter vier Augen am Morgen gesagt: Weißt Prantner, wir müssen uns als Katholiken eisern bewähren. Aber mit den Stimmen der täglichen Kommunikanten und Meßbesucher können wir nicht einmal die große Zehe eines Gemeinderates in St. Pölten bewegen. Wir brauchen in der ÖVP selbstverständlich auch Christen, die sich eher liberal bewegen. Wobei er unter liberal nicht verstanden hat, die katholische Kirche ihrer Identität zu berauben, so wie es heute der Fall in der Feichtlbauerarena ist, sondern er verstand solche, die eben nicht die Gnade des intensiven Glaubens haben, aber zum Christentum grundsätzlich stehen. In diesem Zusammenhang gab es dann auch ein Gespräch mit Julius Raab, das ich in meinen Tagebüchern festgehalten habe zur damaligen Lage in der Bundesrepublik Deutschland, wo er ja gemeinsam mit Konrad Adenauer in Köln zum Ehrenritter des Deutschen Ordens erhoben wurde. Er wies immer wieder darauf hin, daß in der BRD die beiden Konfessionen gewissermaßen auf zwei Piloten auch die politischen Gruppen tragen. Und ich habe ihn damals gefragt, wie er zur Frage des Deutschtums österreichischer Menschen sich verhält. Er hat gesagt: Erinnere Dich, Prantner, Kaiser Franz Joseph hat gesagt, ich bin ein Deutscher Fürst. Ich bin der Bundeskanzler in Österreich gewesen, jetzt bin ich Altbundeskanzler, ich bin Österreicher, aber ich gehöre zu den Deutschen. Ich fühle mich mit deutschen Menschen viel inniger verbunden als mit Slawen, Italienern oder anderen Anrainern. Man hat dann Raab oft vereinnahmen wollen, daß er ein Kämpfer für die österreichische Nation gewesen ist. Und da muß man unterscheiden im Sinne der Mitgliedschaft Österreichs bei den Vereinten Nationen, aber im Sinne unserer kulturpolitischen Vergangenheit und unseres Selbstverständnisses hat er uns eindeutig, aber ganz eindeutig als Teil des Deutschen Kulturkreises gesehen, wobei die Welt zwischen einem Preußen aus NordrheinWestfalen und einen Bajuwaren aus dem Allgäu sich doch unterscheidet und wahrscheinlich auch die Welt eines Kärntners von der Welt eines Oberösterreichers. Aber alle haben das gemeinsame Deutschtum, und ich meine, daß ich davon viel gelernt habe, wiewohl ich nicht immer davon überzeugt war. Heute bin ich der festen Meinung, daß der Weg der österreichischen Kirche, aber auch der Weg des unseres Selbstverständnisses im kulturellen Bereich ein Weg des Ausgleichs ist. Hier verwende ich den Begriff Ausgleich zwischen der Eigenart unserer Bundesländer und dem allgemeinen deutschen Kulturbegriff.
Was ist für Sie als katholischer Christ die Botschaft eines Leopold Figl und eines Julius Raab heute, nicht nur auf die Kirche bezogen, auch auf die Politik?
Prantner: Ich beantworte diese Frage mit der Feststellung, daß Ethik eine philosophische und keine theologische Wissenschaft ist, die sich damit beschäftigt, was ist der Mensch, was ist die Gesellschaft, was sind die Rechte und Pflichten, die aus der Menschenwürde und seiner doppelten Natur hervorleuchten. In diesem Sinne kann christliche Politik niemals die Dominanz von Klerikern mit politischen Funktionen bedeuten, wie etwa bei Bundeskanzler Prälat Seipel, sondern Politik muß immer die Menschenwürde aller Menschen respektieren und pflegen, auch der ungläubigen Menschen, die nicht die Gnade haben, katholisch oder evangelisch praktizierende Christen zu sein. Daher ist auch diese Botschaft, die ein Figl und ein Raab durch ihr persönliches Christsein uns weitergegeben haben, jene, daß wir das Gemeinsame mit allen Menschen suchen und hochhalten, niemanden vereinnahmen, aber ein Beispiel geben auch durch jene Lebensbereiche, die praktisch Religion bedeuten, wie die Teilnahme an der Liturgie, an den Gottesdiensten. Figl und Raab waren leuchtende Beispiele, haben aber nie damit politische Reklame gemacht. Ihre Persönlichkeit war durchstrahlt davon.
S. E. DDr. Robert Prantner, Am, geboren am 26. Juni 1931 in Wien, 1949 Matura, danach Studium der Philosophie und katholischen Theologie sowie der Staatswissenschaften (Dr. rer. pol. im Fach Völkerrecht und internationale Beziehungen), ab 1955 persönlicher wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundeskanzlers Ing. Julius Raab, in der Folge des Nationalratspräsidenten Prof. Dr. Alfred Maletta bis 1993. 1974 Dozent für Ethik und Gesellschaftslehre an der Philosophisch-theologischen Ordenshochschule des Augustiner-Chorherrenstiftes Klosterneuburg. Von 1982 bis zur Emeritierung 1998 Hochschulprofessor an der Philosophisch-theologischen Hochschule des Zisterzienserstiftes Heiligenkreuz („Ethik und Gesellschaftslehre“). Ehemals bevollmächtigter Minister des Souveränen Malteser-Ritterordens.