Knapp drei Jahre nach den sozialistisch/nationalsozialistischen Putschversuchen vom Februar und Juli 1934, als der SP-Landesparteisekretär und Obmann der Republikanischen Schutzbundtruppen, Richard Bernašek, bei der Auslösung des Bürgerkrieges (Februar) im Hotel Schiff in Linz auf die Mithilfe der National-Sozialisten gehofft hatte (als Ziel sah er eine Einheitspartei aus Sozialisten, National-Sozialisten und Kommunisten) und Bundeskanzler Cbr. Dr. Dollfuß, der amtierende Philistersenior e.v. KdStV Franco-Bavaria zu Wien, ermordet worden war (Juli) — also nicht allzu lange vor der „Aktion Otto“, dem Einmarsch deutscher Truppen im März 1938 in Österreich, den der NAZI-Kollaborateur Karl Renner (SPÖ) zu seinem „Freudig mit Ja“-Aufruf für Hitler nützte, beschlossen der Österreichische Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen (OeCV) und die Österreichische Landsmannschaft – Akademischer Bund katholisch-österreichischer Landsmannschaften (OeL) ihre Zusammenarbeit für ein eigenständiges Österreich zu bekräftigen. Nachstehend im Wortlaut:
Das Abkommen zwischen dem OeCV und der OeL, das wir in dieser Nummer unserer Zeitschrift (Anm.: der Landsmannschaften) veröffentlichen, wird von jedem Landsmannschafter und darüber hinaus wohl von jedem, dem die Sache Österreichs und seines kaiserlichen Hauses am Herzen liegt, freudig begrüßt werden. Wir möchten dieses Abkommen als einen Schritt in eine neue Zeit bezeichnen, der beweisen soll, daß katholische Akademiker auf dem Boden des Vaterlandes in einer Linie stehen wollen. Die Aufgaben, die beide Verbände zu erfüllen haben, sind verschiedene. Das ist in ihrem Zweck und in ihrer Sendung begründet. Der Boden aber, auf dem sie stehen, ist der gleiche: Glaube und Vaterland. Und dieses Fundament möge auch dem neuen Abkommen seine Festigkeit verleihen.
Um die Zusammenarbeit der katholischen Hochschulverbände Österreichs zu fördern, haben die bevollmächtigten Vertreter des „österreichischen Cartell-Verbandes der katholischen deutschen Studentenverbindungen“ (OeCV) und der „österreichischen Landsmannschaft — Akademischer Bund katholisch-österreichischer Landsmannschaften“ (OeL) Verhandlungen gepflogen und in Übereinstimmung hinsichtlich der nachstehenden grundsätzlichen Erklärungen gegenseitig festgestellt:
(I.) Der OeCV nimmt zur Kenntnis, daß sich die österreichische Landsmannschaft in ihren Grundsätzen neben der Pflege der Katholizität, der Vaterlandsliebe, des studentischen Brauchtums (usw.) ausdrücklich auch zum Legitimismus bekennt und derzeit in der Sachwalterschaft zufolge ihrer Funktion in der legitimistischen Bewegung zur Vertretung der aus dem letztgenannten Grundsatz erwachsenden Interessen auf akademischem Boden berufen erscheint.
(II.) Die Satzungen der OeCV bezeichnen die Vaterlandsliebe ausdrücklich als eines der Grundprinzipien des Verbandes. Da das Bekenntnis zu Österreich das Bekenntnis zu dessen Tradition in sich schließt und die unvergänglichen Verdienste des Hauses Österreich ein Gutteil dieser Tradition ausmachen, ist es selbstverständlich, daß der OeCV zufolge seines Bekenntnisses zum Vaterlandsprinzip eine Schmälerung der Ehre und Anerkennung dieser Tradition nicht billigen und dulden kann, zumal die nunmehr fast 75jährige Geschichte der einzelnen Verbindungen des OeCV wiederholt Beweis dafür war, daß seine Angehörigen für solches Österreichertum — auch mit Einsatz des Blutes — eingetreten sind.
(III.) In der Frage der Doppelmitgliedschaft kommen die beiden Verbände überein, daß in Hinkunft hinsichtlich der Möglichkeit einer Zugehörigkeit zum anderen Verband ausschließlich die Bestimmungen jenes Verbandes maßgebend sind, welchem der Betreffende zuerst als Mitglied angehörte.
Die Korporationen beider Verbände werden vor Verleihungen von Doppelmitgliedschaften diese Vorschriften im Geiste der hier vereinbarten grundsätzlichen Erklärungen berücksichtigen.
(IV.) Dementsprechend sind die beiden Verbände gleichzeitig übereingekommen, das nachstehende Verbands- und Ehrenabkommen untereinander abzuschließen, welches von heute an für sechs Semester wirksam ist.
Wien, am 29. Oktober 1937.
Die bevollmächtigten Vertreter der „österreichischen Landsmannschaft — Akademischer Bund katholisch-österreichischer Landsmannschaften“ (OeL) (Bundes-Convent):
Plöchl e. h., Plaschko e. h., Raab e. h., Heß e. h.
Die bevollmächtigten Vertreter des österreichischen Cartell-Verbandes der katholisch-deutschen Studentenverbindungen (OeCV):
Großmann e. h., Siegel e. h., Drimmel e. h.
A. Verbandesitzung.
Die vorgenannten Verbände treten mit je drei von der Führung bestellten und bevollmächtigten Vertretern jährlich zu Beginn des Winter- und Sommersemesters zu einer ordentlichen (und nach Bedarf zu einer außerordentlichen) Verbändesitzung zusammen, um über gemeinsame Angelegenheiten zu beschließen und die Durchführung des gemeinsamen Verbände- und Ehrenabkommens zu überwachen.
Die Verbändesitzungen werden im Wintersemester vom Vorortepräsidenten des OeCV, im Sommersemester vom Bundessenior der österreichischen Landsmannschaft einberufen und präsidiert. Eine außerordentliche Verbändesitzung muß einberufen werden, wenn sie von einem der beiden Verbände schriftlich beantragt wird.
Eine Verbändesitzung ist nur beschlußfähig, wenn mindestens zwei Vertreter jedes Verbandes erscheinen. Beschlüsse werden einstimmig gefaßt.
Die Verbändesitzung kann sich eine Geschäftsordnung geben.
Die Beschlüsse haben nur die Bedeutung von Richtlinien. Die Verbände treten nach außen hin geschlossen nur auf Grund einstimmigen Beschlusses einer Verbändesitzung auf.
B. Verbände-Abkommen.
§ 1. Zur Beilegung von Streitigkeiten
a) zwischen beiden Verbänden,
b) zwischen Korporationen dieser Verbände,
c) zwischen einem Verband oder einer Korporation mit einzelnen Angehörigen des anderen Verbandes,
wird ein Verbandsgericht mit dem Sitze in Wien bestellt, das fallweise über Weisung der Verbändesitzung zusammentritt, untersucht und entscheidet, wenn eine gütliche Beilegung nicht erzielt werden kann.
Im Falle a) und b) haben sich die Streitteile behufs Einberufung des Verbandsgerichtes an die Verbändesitzung zu wenden.
Im Falle a) teilt das Verbandsgericht das Ergebnis der Untersuchung der Verbändesitzung mit, ohne selbst eine Entscheidung zu fällen.
§ 2. Dieses Verbandsgericht entscheidet endgültig über Ablehnung von Ehrengerichtsmitgliedern und bestellt den Vorsitzenden des Ehrengerichtes, wenn die bestellten Ehrengerichtsmitglieder sich nicht einigen können.
§ 3. Das Verbandsgericht kann von der Verbändesitzung auch zur Untersuchung (Entscheidung) anderer Angelegenheiten bestellt werden.
§ 4. Das Verbandsgericht besteht aus 5 Mitgliedern, von denen je 2 (samt Ersatzmann) von den beiden Verbänden namhaft gemacht werden. Der Vorsitzende und sein Stellvertreter wird jedoch von der Verbändesitzung ernannt.
Sämtliche Mitglieder (Stellvertreter) sollen Juristen und Altherren sein, der Vorsitzende (und dessen Stellvertreter) muß beiden Verbänden angehören.
Die Bestellung der Mitglieder (Ersatzmitglieder) des Verbandsgerichtes erfolgt auf mindestens 2 Semester; deren Name und Anschrift sind in den Verbandszeitschriften zu veröffentlichen.
§ 5. Das Verbandsgericht faßt seine Beschlüsse und Urteile mit Stimmenmehrheit. Die Durchführung derselben obliegt der Verbändesitzung.
§ 6. Rechtsmittel gegen Beschlüsse oder Urteile des Verbandsgerichtes sind ausgeschlossen.
§ 7. Gegen Mitglieder des Verbandsgerichtes können weder Ablehnungs- noch Ausschließungsgründe geltend gemacht werden.
§ 8. Das Verbandsgericht kann sich eine Geschäftsordnung geben.
§ 9. Bei Meinungsverschiedenheiten über Auslegung oder Anwendung dieser Bestimmungen entscheidet die Verbändesitzung.
C. Ehren-Abkommen.
§ 1. Die Mitglieder der Korporationen der beiden Verbände sind verpflichtet Ehrenangelegenheiten untereinander zu bereinigen und gegebenenfalls angemessene Genugtuung zu leisten. Sie haben sich hiebei je zweier Vertreter zu bedienen, die für den Fall, daß eine versöhnliche Austragung nicht erreicht werden kann, die Entscheidung des Verbands-Ehrengerichtes anrufen.
§ 2. Dieses Ehrengericht zählt 5 Mitglieder, von denen je 2 von den Vertretern der beiden Streitteile, der Vorsitzende aber von diesen 4 Ehrenrichtern gewählt wird.
Kommt eine Einigung nicht zustande, so erfolgt die Bestellung durch das Verbandsgericht, das auch über Ablehnungsanträge bezüglich der übrigen Ehrenrichter endgültig entscheidet.
§ 3. Das Ehrengericht hat sich im allgemeinen nach den Normen jenes Ehrencodex zu halten, der von den beiderseitigen Vertretern zur Austragung vereinbart wurde; hiefür kommt Codex Hofmannsthal besonders in Betracht.
§ 4. Nach Abschluß des Verfahrens hat das Ehrengericht, wenn der Fall zu einer gütlichen Austragung geeignet erscheint, dahin zu wirken, daß der Ehrenhandel durch eine befriedigende Erklärung der Parteien erledigt wird; daß der Beleidiger seine Beleidigung zurückzieht oder erklärt, eine beleidigende Absicht nicht gehabt zu haben; sei es, daß der angeblich beleidigte Teil anerkennt, daß eine beleidigende Tat nicht vorlag; und überdies in allen Fällen, in denen der andere Teil sich mit einer Erklärung ausdrücklich zufrieden gibt.
Nach genauer einverständlicher Feststellung der Erklärung fällt das Ehrengericht den Spruch: „daß der Ehrenhandel in ehrenhafter Weise ausgetragen worden sei“.
§ 5. In allen übrigen Fällen hat das Ehrengericht durch Spruch zu entscheiden, und zwar:
a) daß eine Ehrverletzung nicht vorliegt, oder
b) daß eine Ehrverletzung vorliegt.
Im Falle b) kann es entscheiden:
1) „Es liegt kein Grund vor, dem angeblich Beleidigten Genugtuung für verletzte Ehre zu gewähren“. Eventuell mit dem Zusatz: „Das Verhalten des angeblichen Beleidigers war ehrenhaft und hat gegen die Gesetze der Ehre und des Anstandes nicht verstoßen.“
2) „Eine Beleidigung hat ungerechtfertigter Weise stattgefunden und das Ehrengericht gewährt diesen Spruch dem Beleidigten als Genugtuung für verletzte Ehre.“ Eventuell mit den Zusätzen: „daß das Verhalten des Beleidigten ein ehrenhaftes war“ und „daß der Ehrenrat das Verhalten des Beleidigers mißbilligt“.
3) der Beleidiger hat sein Bedauern auszusprechen,
4) der Beleidiger hat die Beleidigung zurückzunehmen und
5) der Beleidiger hat gleichzeitig Abbitte zu leisten.
§ 5. Die Verbände sind verpflichtet, die Entscheidungen eines Ehrengerichtes anzuerkennen und gegen jene Verbandsangehörigen, die der Verhandlung sich nicht unterziehen oder der Entscheidung des Ehrengerichtes nicht entsprechen, im eigenen Wirkungskreise vorzugehen, über das Ergebnis dieses Verfahrens ist der Verbändesitzung zu berichten.
§ 6. Für den Zusammentritt des Ehrengerichtes ist der Aufenthaltsort des Beleidigten (Zuerstbeleidigten) maßgebend. Im Streitfalle entscheidet das Verbandsgericht.“